
Interview mit dem Biologen und Paläontologen Dr. Günter Bechly, wissenschaftlicher Kurator am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart und dort Sektionsleiter für die Bereiche Bernstein und fossile Insekten
http://www.bernstein.naturkundemuseum-bw.de/odonata/gbechly.htm
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Frage: Können sich Insekten auf der Erde länger behaupten als Menschen?
Antwort: Die Antwort mag sie vielleicht überraschen, aber das glaube ich definitiv nicht und halte die beliebten Spekulationen über das angeblich unvermeidliche Aussterben der Menschheit für völligen Unsinn. In den Zeiten des Kalten Krieges wurde manchmal gesagt, dass nur Kakerlaken und Ratten einen Atomkrieg überleben würden. Es mag wenig schmeichelhaft erscheinen, aber hinsichtlich der potentiellen Überlebensfähigkeit sind wir Menschen wie die Kakerlaken und Ratten, nämlich Generalisten, die sich an fast alle Lebensbedingungen anpassen können. Hinzu kommt, dass wir durch unseren Verstand sogar in lebensfeindlichsten Regionen wie der Arktis oder der Wüste überleben können und uns von Fisch über Fleisch bin hin zu rein vegetarischer Kost von fast allem organischen Material ernähren können. Außerdem haben wir gelernt uns mittels Technik und Kultur den Mechanismen der natürlichen Evolution weitgehend zu entziehen. Der Mensch würde als Art daher meines Erachtens nur dann aussterben, wenn unser Planet durch eine kosmische Katastrophe völlig vernichtet würde. Ansonsten werden wir eher noch die Kakerlaken überleben als umgekehrt. Das Gegenargument, dass jede Art in der Erdgeschichte nach einiger Zeit wieder verschwunden ist, ist natürlich ein missverständlicher Unsinn, denn all die Millionen heutiger Arten sind Glieder einer ununterbrochenen Ahnen- und Nachfahrenkette, die bis zur Entstehung des Lebens vor über 4 Milliarden Jahren zurückreicht. Der Denkfehler bei diesem Argument besteht darin, dass Arten eben nicht nur durch Aussterben einfach verlöschen, sondern auch durch Aufspaltung in sich verändernden Tochterarten aufgehen können, in denen sie quasi weiterleben, ähnlich einer Zelle die sich in zwei Tochterzellen teilt. Eine Artspaltung ist allerdings bei der Menschheit auf Grund der Tendenz zur Globalisierung in absehbarer Zukunft auch nicht mehr zu erwarten, da hierfür eine geografische Isolation von Populationen notwendig wäre. Vielleicht kommt es dazu ja einmal in ferner Zukunft, wenn die Menschheit auch andere, weit entfernte Himmelskörper und Sternensysteme besiedeln sollte, aber das ist natürlich eher Science Fiction.
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